Indien kauft Waffen und Öl in Russland. Es exportiert aber auch Arzneimittel. Durch den Krieg in der Ukraine will es sich davon nicht abhalten lassen.
Asiens drittgrößte Volkswirtschaft baut ihre engen Wirtschaftsverbindungen mit Russland weiter aus. Während Indien davor steht, Öl zu Billigpreisen von den Russen zu kaufen, wollen die Inder ihren Export etwa von Medizin und Telekommunikationsausrüstung nach Russland ausbauen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte schon mit Blick auf westliche Sanktionen gegen Russland gesagt: „Natürlich gibt es Länder, China, Indien, Südamerika, Afrika, die sich den Sanktionen nicht angeschlossen haben. Und für diese sind dann die Devisen Währungen, die benutzt werden können.“
In Neu Delhi geben sich nun ausländische Minister die Klinke in die Hand. Am Samstag wird Indien nach zehn Jahre langen Verhandlungen ein Freihandelsabkommen mit Australien schließen. Canberra hofft, seine Ausfuhr nach Indien dadurch bis 2035 auf 45 Milliarden Australische Dollar (30,3 Milliarden Euro) zu steigern und Indien damit zu seinem drittgrößten Handelspartner zu machen. Zuvor war der russische Außenminister Sergej Lawrow auf dem Rückweg aus Peking nach Delhi gereist. Indien vermeidet es trotz des Drucks zahlreicher Staaten, Russland für seinen Angriffskrieg zu verurteilen. Lawrow lobte, dass Indien „die Gesamtheit der Fakten“ sehe und „nicht einseitig“ urteile.
Sein indischer Gegenüber Subrahmanyam Jaishankar wehrte sich gegen die Kritik an den Ölkäufen in Russland und sprach von einer „Kampagne bei diesem Thema“. Jaishankar führte aus: „Ich habe gerade gelesen, dass Europa im März 15 Prozent mehr Öl und Gas von Russland gekauft hat als im Monat zuvor. Wenn man auf die größten Käufer schaut, findet man sie vor allem in Europa. Wir bekommen den überwiegenden Teil unserer Lieferungen aus dem Mittleren Osten, 8 Prozent aus Amerika und bislang weniger als ein Prozent aus Russland.“ Zuvor hatte die britische Außenministerin Elizabeth Truss Russland in Neu Delhi im Beisein von Jaishankar Russland als „Nummer eins“ unter den Bedrohungen der Weltordnung bezeichnet und auf weitere Sanktionen gedrängt.
Indien bleibt von solchen Aufforderungen freilich unbeeindruckt. Denn Russland – einer seiner wichtigsten Waffenlieferanten – bietet nun starke Nachlässe: Russland soll Indien einen Rabatt von 35 Dollar je Barrel Öl (159 Liter) auf den Vorkriegspreis angeboten haben. Da die Preise seitdem gestiegen sind, liegt der Nachlass am heutigen Preis gemessen bei rund 45 Dollar. Mit dem Preisnachlass sollen unter anderem die extrem hohen Transportraten ausgeglichen werden. Beide Seiten prüfen, die Öllieferungen von Wladiwostok aus über Asien zu verschiffen, weil der Weg über die Ostsee derzeit zu riskant sei. Schiffe brauchten für die längere Strecke rund 20 Tage, hieß es. Abgewickelt werden sollen die Käufe im Tausch von Rupien gegen Rubel über das russische Bezahlsystem SPFS zwischen Rosnef t und der Indian Oil Corp. Sie haben einen Vertrag über die jährliche Abnahme von 15 Millionen Barrel jährlich.
2020 exportierte Russland Waren im Wert von 5,3 Milliarden Dollar nach Indien, ein Anstieg um durchschnittlich 8,7 Prozent im vergangenen Vierteljahrhundert. Inzwischen braucht Indien auch mehr Sonnenblumenöl von den Russen, weil sein Traditionslieferant Ukraine aufgrund des russischen Überfalls ausfällt. Die Ausfuhr der Inder legte im Vergleich um 4,1 Prozent jährlich auf nun 2,9 Milliarden Dollar zu. Exportgüter sind Arzneimittel, Sendeanlagen und Tee. Handelsminister Piyush Goyal warnt, dass diese Ausfuhren von dem Krieg in der Ukraine betroffen sein könnten.
Indien importiert mehr als 80 Prozent seines Energiebedarfs. Der Druck steigt auch deshalb, weil die Inder nicht nur immer mehr Energie verbrauchen, sondern weit hinter ihren Versprechungen für den Einsatz erneuerbarer Energien zurückfallen. Nach einer Schätzung der Analysten von Bloomberg verfügte der Subkontinent über 153 Gigawatt Kapazität an erneuerbaren Energien. 2030 soll der Wert auf eine Kapazität von 500 Gigawatt gestiegen sein. Die Inder sollen rund 35 Prozent hinter ihrem Plan liegen.